Im Streit um die Nutzung kleiner Solarmodule für Balkone und Terrassen gibt Deutschlands größter Verteilnetzbetreiber Westnetz auf Druck von Greenpeace Energy seinen Widerstand auf. Ab sofort ermöglicht Westnetz den Anschluss der Module auf unbürokratische Weise: In ihrem Versorgungsgebiet genügt es für Nutzer jetzt, Namen und Adresse, Leistung und Fabrikat der Module zu melden, dann können diese dort bis zu einer Leistungsgrenze von 300 Watt de facto ohne sonstige Auflagen in die Steckdose gesteckt werden.
“Das Einlenken von Westnetz ist ein Durchbruch für die städtische Energiewende in Bürgerhand”, sagt Sönke Tangermann, Vorstand bei Greenpeace Energy. “Damit bekommen Millionen von Mietern die Chance, sauberen Strom zu erzeugen und selbst zu verbrauchen.”
Möglich wurde dieser Erfolg durch ein von Greenpeace Energy unterstütztes Verfahren vor der Bundesnetzagentur. Westnetz, die Netztochter von Innogy (früher RWE), hatte den Anschluss eines Solarmoduls des Typs simon mit 150 Watt Spitzenleistung blockiert und in Briefen an die Greenpeace-Energy-Kundin auf angebliche Gefahren verwiesen. Dabei schlossen Gutachten unabhängiger Institute solche Risiken aus. In dem Verfahren räumte Westnetz abschließend ein, dass es nach Prüfung der vorgelegten Unterlagen an seiner bisherigen Einschätzung nicht weiter festhalte: “Der Anschluss und der Betrieb einer Eigenanlage Photovoltaiksystem ‘simon’ ist möglich”. Schädliche oder störende Rückwirkungen auf das Elektrizitätsversorgungsnetz seien nicht erkennbar. Unterhalb der 300-Watt-Grenze verzichtet der westdeutsche Netzbetreiber zudem auf den Einbau von Stromzählern mit Rücklaufsperre.
“Stecker-Solar-Geräte für den Balkon sind für Mieter oft die einzige Option, einen eigenen Beitrag zu einer klimafreundlichen dezentralen Energieversorgung zu leisten”, sagt Marcus Vietzke, Mini-PV-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) in Berlin. “Wenn die Nutzung unkompliziert möglich ist, könnten allein in Deutschland mehrere Gigawatt an Stecker-Solar-Geräten installiert werden. Dies entspricht der Leistung großer Braunkohlekraftwerke mit hohem CO2-Ausstoß.” Die dezentrale Stromproduktion aus Sonnenenergie senke klimaschädliche Emissionen und reduziere zugleich die Kosten für den Ausbau der Energienetze, fügt Vietzke hinzu.
In weitgehend energieoptimierten Haushalten sind Mini-Solarkraftwerke zudem die effizienteste Möglichkeit, den eigenen Strombezug spürbar zu senken – und damit die Kosten: Je nach Modell lassen sich auf Südbalkonen fünf Prozent und mehr an Einsparung erzielen.
Die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie, Greenpeace Energy und viele andere Akteure setzen sich derzeit in den zuständigen technischen Normgremien für anwenderfreundliche neue Normen für Mini-Solarkraftwerke ein. Mit Fortschritten ist noch in diesem Jahr zu rechnen.